Projekte der Papierindustrie
Die österreichische Papierindustrie investiert auch weiterhin in neue Anlagen zur eigenen Erzeugung von Strom und Dampf.
Das geschieht vor dem Hintergrund steigender Preise für Energieträger, dem absehbaren Rückgang an verfügbarer Biomasse, steigenden Abgaben und zusätzlichen Vorschriften. papierausösterreich schildert einige Projekte.
Von 2005 bis 2010 werden an sechs Standorten der österreichischen Papierindustrie Anlagen in Betrieb genommen, die Erdgas und vor allem biogene Brennstoffe wie Reststoffe und Biomasse mit höchster Effizienz verwerten. Damit leisten die Unternehmen einen Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Ziels, weil so die CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen reduziert werden können. Gleichzeitig wird dadurch vielen gesetzlichen Regelungen Rechnung getragen, zum Beispiel dem Abfallwirtschaftsgesetz, der Deponie-Verordnung, der Biomasse-Förderung oder dem Ökostromgesetz.
Hirschwang 2005
Bereits im April 2005 wurde in der Kartonfabrik der Mayr-Melnhof Karton AG in Hirschwang der kommerzielle Betrieb einer Verbrennungsanlage zur Verwertung von betrieblichen Reststoffen (Rejekte aus der Altpapieraufbereitung, Holz und Klärschlamm aus der biologischen Kläranlage) aufgenommen. Die Feuerung mittels Schleuderradverfahren und anschließender Rostverbrennung kommt dem Wunsch nach besonders hoher Flexibilität der Anlage entgegen. Die Rauchgasreinigung stellt sicher, dass die vorgeschriebenen Grenzwerte deutlich unterschritten werden. Die maximale Brennstoffmenge beträgt 15.000 Tonnen pro Jahr, die maximale Feuerungswärmeleistung 4,8 MW. Damit wird eine maximale Dampfmenge (78 bar, Sattdampf) von 6,3 Tonnen pro Stunde erzeugt und im unmittelbar benachbarten Kesselhaus in das Dampfsystem des bestehenden Hauptkessels eingespeist. Der Erdgasverbrauch der bestehenden Gaskesselanlage konnte um etwa zehn Prozent gesenkt werden, ebenso konnten die CO2-Emissionen deutlich verringert werden. Außerdem werden externe Deponie- und Verwertungskosten für die Reststoffe vermieden. Dieses Projekt erforderte eine Investitionssumme von fünf Millionen Euro.
Hallein 2006
Im Feber 2006 wurde der Probebetrieb des Biomasseheizkraftwerkes der M-real Hallein AG erfolgreich beendet und die Anlage in den Produktionsbetrieb übergeführt. Neben Waldhackgut kann die stationäre Wirbelschichtfeuerung auch alle hausinternen Reststoffe verfeuern. Die Aufbereitung des Energieholzes erfolgt mit einer Trommelhacke mit einer Leistung von 200 Festmetern pro Stunde; mit einem Rotordurchmesser von 2,8 Metern ist die Hacke eine der größten in Europa. Die trockene Rauchgasreinigungsanlage besteht aus SNCR-Entstickung und einem Gewebefilter mit vorgeschaltetem Flugstromabsorber. Die Brennstoffwärmeleistung beträgt 30 MW, die Dampfmenge (61 bar, 450 °C) 36,3 Tonnen pro Stunde, die elektrische Generatorklemmenleistung 4,8 MW. Neben den Grundfunktionen der Strom- und Prozessdampferzeugung wurde die Anlage auch mit einer Wärmerückgewinnungsanlage ausgestattet, die es erlaubt, bis zu 9,0 MW Fernwärme an das Netz abzugeben. Die Einhaltung der geplanten Investitionskosten von 35,8 Millionen Euro war eine Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit des Anlagebetriebes über die gesamte Lebensdauer. Weitere wesentliche Punkte sind gesetzliche Regelungen:
- Seit April 2004 verlangt das Abfallwirtschaftsgesetz die thermische Verwertung biogener Reststoffe.
- In Verbindung mit dem Kyoto-Ziel Österreichs müssen CO2-Emissionen reduziert oder mit Zertifikaten belegt werden.
- Förderungen für Biomasseprojekte sowohl für das Investment als auch für den ins Netz eingespeisten Ökostrom Die Investitonsentscheidung wurde außerdem durch wirtschaftliche Gegebenheiten beeinflusst: steigende Entsorgungskosten für Reststoffe und Abfälle
- Substitution teurer fossiler durch biogene Brennstoffe Sicherstellung der Dampfversorgung mit erneuerbaren Energieträgern
- innovative Lösungen zur Abwärmenutzung Wieweit alle diese Punkte über die gesamte technische Nutzungsdauer einer neuen Anlage Geltung behalten, ist schwer abzuschätzen, da sie auch von den Rahmenbedingungen abhängen.
Gratkorn 2007
Aufgrund der für die nächsten Jahre prognostizierten Steigerung der Papierproduktion und dem damit verbundenen Mehrbedarf an elektrischer Energie und Dampf wird die Sappi Austria Produktions-GmbH & Co KG ein mit Erdgas befeuertes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk errichten. Die notwendigen Behördenverfahren sind bereits abgeschlossen, ein Genehmigungsbescheid liegt vor. Die GuD-Anlage besteht im Wesentlichen aus einer industriellen Schwerlastturbine für Gas mit einer elektrischen Leistung von rund 42 MW. Die Abgase us der Gasturbine werden in einen Abhitzekessel geleitet, der mit einer Zusatzfeuerung und einem Frischlüfter ausgerüstet ist; in diesem Abhitzekessel wird Hochdruckdampf (120 bar, 520 °C) erzeugt.
Der Abhitzekessel liefert bei Gasturbinenbetrieb rund 58 Tonnen Hochdruckdampf pro Stunde, wobei zur Erreichung der Frischdampfparameter in Abhängigkeit von der tatsächlich eingesetzten Gasturbine eine geringe Menge Erdgas an der Zusatzfeuerung notwendig ist. Im Volllastbetrieb bei Gasturbinenbetrieb mit voller Leistung der Zusatzfeuerung liefert der Kessel rund 165 Tonnen Hochdruckdampf pro Stunde. Im Frischlüfterbetrieb, wenn der Kessel ohne Gasturbine nur mit der Zusatzfeuerung betrieben wird, können ebenfalls 165 Tonnen Hochdruckdampf pro Stunde erzeugt werden.
Die Anlage kann in verschiedenen Lastfällen betrieben werden, in denen die Brennstoffwärmeleistung von 5 MW (Minimallast bei GT-Volllast) bis 150 MW (Maximallast bei FLBetrieb) gehen kann. Der Beginn des kommerziellen Betriebes der GuDAnlage ist für Anfang des zweiten Quartals 2007 geplant. Die Investitionskosten werden sich auf etwa 50 Millionen Euro belaufen. Während die Papierproduktion im Jahr 2000 bei 710.000 Tonnen gelegen ist, wird für den Zeitraum von 2005 bis 2012 ein fünfprozentiger Anstieg von 862.000 auf 905.000 Tonnen erwartet.
Obwohl der spezifische Verbrauch für Strom und Dampf durch rationellere Betriebsweisen reduziert wird, ist mit einer Zunahme der CO2-Emissionen von rund 489.000 Tonnen auf 611.000 Tonnen zu rechnen, das sind 25 Prozent.
Das liegt daran, dass der jetzige Fremdstrombezug durch Eigenstrom ersetzt wird, zusätzlich kann zumindest in der Anfangsphase des Projektes auch noch Strom in das Netz geliefert werden. Braunkohle wird schon ab 2006 nicht mehr verfeuert, der Erdgas-Verbrauch nimmt aber natürlich zu. Der Wirtschaftlichkeitsrechnung des Projektes liegt ein ROI von etwa fünf Jahren zugrunde, der von der Entwicklung der Gas- und Strompreise maßgeblich beeinflusst wird. Der Energiekostenanteil der Papierproduktion wird durch diese Investition um mehr als zehn Prozent gesenkt werden.
Nettingsdorf 2008
Für die zweite Hälfte 2008 ist die Inbetriebnahme einer Gas- und Dampfturbinen-Anlage bei Nettingsdorfer eplant. Die Bestandsanlage wird mit folgenden neuen Komponenten erweitert:
eine mit Erdgas befeuerte Gasturbine mit einer elektrischen Leistung von 18 MW
ein Abhitzekessel mit Erdgas-Zusatzfeuerung (Brennstoffwärmeleistung ca. 27 MW) für 70 Tonnen Dampf (81,5 bar ü, 480 °C) pro Stunde
eine Dampfturbine mit einer Schluckfähigkeit von 170 Tonnen pro Stunde, mit einem variablen Gegendruck von 3 bis 5 bar ü, einer ungeregelten Anzapfung bei 19 bar ü und einer geregelten Entnahme bei 12 bar ü
zwei mit Erdgas betriebene Spitzenlast- und Reservekessel mit einer Brennstoffwärmeleistung von je 28 MW und einer Dampferzeugung (20 bar ü, 220 °C) von je 40 Tonnen pro Stunde
Im Zuge dieser Erweiterung werden die Kessel Steambloc 1 und Sodakessel 1 stillgelegt, der bestehende Gaskessel und die Dampfturbine gehen in die Kaltreserve über. Die Gasturbinenanlage mit Abhitzekessel dient zur Erhöhung des Stromerzeugungsanteils am Standort und zur Produktion von Prozessdampf. Die Stromerzeugung erhöht sich von derzeit 23 MW auf durchschnittlich 43 MW. Der in der Neuanlage erzeugte Strom wird größtenteils am Standort verbraucht. Geringe Überschuss-Strommengen werden in das Netz der allgemeinen Versorgung des vorgelagerten Netzbetreibers eingespeist sowie geringe Fehlmengen aus diesem Netz bezogen.
Da die Stromproduktion am Standort um 160 GWh angehoben wird, erhöht sich durch den zusätzlichen Erdgasverbrauch die lokale CO2-Emission; dafür werden jedoch deulich höhere CO2-Emissionen eingespart, die bei einer externen Stromerzeugung anzusetzen wären. Global gesehen verringert sich durch das Projekt die CO2-Emission um ca. 56.000 Tonnen im Jahr.
Laakirchen 2008
Frühestens bis Mitte 2008, abhängig von der Realisierung der geplanten Ausbaustufe 2 der PM 11 bei SCA Laakirchen und von der Entwicklung der Gas- und Strompreise, soll die bestehende Energieanlage (Gasturbine GT 1 mit einer elektrischen Leistung von 40 MW, Abhitzekessel 1 für Dampfzustand 65 bar, 465 °C mit Zusatzfeuerung mit einer thermischen Leistung von 120 MW und Gegendruckdampfturbine DT 3 mit einer elektrischen Leistung von 21 MW) durch eine neue Gas- und Dampfturbinen-Anlage erweitert werden. Geplant ist eine Gasturbine GT 2 mit nachgeschaltetem Abhitzekessel AHK 2 und einer kleinen Kondensationsturbine DT 4. Die Behördenverhandlungen wurden bereits im Vorjahr abgeschlossen und es liegt ein rechtsgültiger Bescheid vor. Allerdings bestehen noch Unsicherheiten bezüglich der Zuteilung von Gratisemissionszertifikaten im NAP 2, der Förderrichtlinien nach dem Ökostromgesetz für neue KWK-Anlagen und der energiesteuerlichen Behandlung. Die geplante GT 2 soll eine elektrische Leistung von 41 MW haben, der AHK 2 soll ohne Zusatzfeuerung etwa 60 Tonnen Dampf (65 bar, 465 °C) pro Stunde liefern, der in die bestehende DT 3 eingespeist werden kann. Zusätzlich ist noch eine kleine Kondensations-Dampfturbine mit einer elektrischen Leistung von 4,5 MW und einem Luftkondensator vorgesehen.
Die reinen Investitionskosten belaufen sich auf etwa 25 Millionen Euro. Der zusätzliche Brennstoffeinsatz beträgt etwa 115 MW Erdgas. Die Anlage soll direkt neben der bestehenden GT- 1-Anlage errichtet werden. Durch die Verlagerung eines Teils der Dampferzeugung aus Abwärme der GT 2 in den AHK 2 mit Nutzung des KWK-Prinzips kann die Zusatzfeuerung im AHK 1 nahezu vollständig substituiert und gleichzeitig die Stromerzeugung am Standort wesentlich erhöht werden.
Tatsächlich steht der Emissionssteigerung um 147.400 Tonnen CO2 pro Jahr eine Erhöhung der Stromproduktion um 80 Prozent gegenüber. Dies führt im Vergleich zu getrennter Stromproduktion in einem Wärmekraftwerk sowie Dampferzeugung in einem Dampfkessel zu einer effizienteren Brennstoffausnutzung und einer deutlichen Reduktion der gesamten CO2-Emissionen.
Die geplante zweite Gasturbine dient primär des Substitution des immer teurer werdenden Strombezugs aus dem öffentlichen Netz. Außerdem wird die Gasmenge der Zusatzfeuerung im Abhitzekessel 1 durch Abwärme aus der neuen Gasturbine 2 für die Dampferzeugung ersetzt.
Pöls 2010
Wenn Zellstoff Pöls die Absicht, eine neue Papiermaschine zu errichten, realisiert, kann im Rahmen dieses Projektes zur Deckung des zusätzlichen Bedarfes an elektrischem Strom und Prozesswärme in Form von Dampf auch die Errichtung eines Biomasseheizkraftwerkes aktuell werden. Derzeit wären die gesamten Investitionskosten auf etwa 200 Millionen Euro zu schätzen, wovon ein Viertel auf das Biomasseheizkraftwerk entfallen könnte.
Zeitschrift papier aus Österreich 12/06 – 1/07 Thema 09/06
– von Winfried Hantsch