Der Dampfturbinenbau in Österreich

Die Lage des Dampfturbinenbaues in Österreich wird in dem folgenden Ausschnitt eines Positionspapiers aus dem Jahr 1955 – wie sich später bewahrheitet hat – sehr zutreffend charakterisiert. Es ist erschreckend wie aktuell die Grundaussagen dieses Positionspapiers auch über andere Branchen 50 Jahre später noch immer sind.

Denkschrift über die Entwicklungsmöglichkeiten der österreichischen Technik und die Lage der technischen Intelligenz (Deuticke Wien, 1955)

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Demgegenüber“ ist jedoch die Aufnahme der Erzeugung von großen Dampfturbinen, die nie in Osterreich erzeugt wurden, nicht empfehlenswert.
Hier ist das Ausland mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung konstruktiv und vor allem werkstattmäßig wohl zu weit voraus, um zur Hoffnung zu berechtigen, diese Entwicklung noch aufholen zu können, wobei überdics unzählige patentrechtliche Hürden zu nehmen wären. Der Einwand, daß durch das Fehlen eines österreichischen Dampfturbinenbaues die österreichischen Exportmöglichkeiten für die übrige Ausrüstung für Dampfkraftwerke beeinträchtigt werden, ist nur sehr bedingt richtig, weil hier durch entsprechende Vereinbarungen mit ausländischen Turbinenfabriken – bei wohlverstandener Vermeidung zu einseitiger Bindungen – unstreitig die Möglichkeit besteht, daß österreichische Firmen als Generalunternehmer das Anbot für die gesamte Ausrüstung des Dampfkraftwerkes legen, zumal ja die Turbinenkosten mit nur 20 % an den ganzen maschinell-elektrischen Kosten beteiligt sind. Allerdings ist es fraglich, ob es unbedingt richtig gewesen ist, den Bau von kleinen Industrieturbinen bis 5000 kW im Inland nach teuren ausländischen Lizenzen aufzunehmen und von eigener konstruktiver Arbeit Abstand zu nehmen. Für solche kleine Turbinentypen besteht ein gewisser innerer Markt, speziell bei den sich doch verstärkt durchsetzenden industriellen Gegendruckdampfanlagen; ferner sind sie auch als Antriebe für Speisepumpen ein Zubehör zum Dampfkessel. An Konstrukteuren fehlt es nicht, einige sind vielmehr in den letzten Jahren mangels geeigneter Beschäftigung nach Schweden, Frankreich und Deutschland abgewandert. Die Werkstatterfahrung muß in jedem Fall erst erworben werden.
Auch beim Bau von Kolbendampfmaschinen, zu dem Osterreich einstmals mit der Collmanschen Ventilsteuerung einen wichtigen Beitrag zum Fortschritt geleistet hatte, ist eine bedauerliche Zaghaftigkeit festzustellen. Die nach dem Krieg begonnenen, vielversprechenden Bemühungen zur Schaffung eines raschlaufenden, schmierungslosen Dampfmotors sind. anscheinend wieder aufgegeben worden, obwohl sich der schmierungslose Labyrinthkolben offenbar bewährt hat. Der Mangel an unternehmerischer Zähigkeit, den unter Umständen langen Weg von einem an sich guten neuen technischen Gedanken bis zur in jeder Beziehung betriebsbewährenden Ausführung zu gehen, hat eine andere Firma von Haus aus dazu veranlaßt, die von ihr herausgebrachten Dampfmaschinen mit ausländischer Lizenz zu bauen…

Anders als bei Großdampfturbinen liegen die Verhältnisse bei stationären Gasturbinen. Hier ist auch das fortgeschrittene Ausland praktisch noch nicht über das Stadium von Großversuchsanlagen hinausgekommen, während es verschiedene, vielversprechende österreichische Patente für neue konstruktive Ideen gibt, die nach einer ehesten Verwirklichung rufen, umsomehr, als auch werkstoffmäßig die inländische Industrie – mit Sinterwerkstoffen und mit Edelstählen – günstige Voraussetzungen zur Erzielung von Erfolgen bietet. Es ist auch, insbesondere von Prof. H. Melan, eine Anzahl neuer Vorschläge für die Anwendung der Gasturbine gemacht worden.
Wenn die österreichische Industrie sich entschließen würde, nur einen Bruchteil der Kosten aufzubringen, die die ausländische Konkurrenz in diese Entwicklung steckt, könnte sie sich hier in absehbarer Zeit eine starke Stellung schaffen. Den österreichischen Ingenieuren wäre damit ein dankbares und weites Tätigkeitsfeld erschlossen.
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Der Dampfturbinenbau der ELIN wurde XXX aufgenommen. Mit Lizenzen von Parsons (später English Electric) wurden Maschinen bis XXX MW gebaut. Anlässlich einer Produkt- und Marktbereinigung der Firmen Elin und Siemens wurde der Dampfturbinenbau der Elin in Weiz eingestellt.

Der Turbinenbau des Paukerwerkes (später SGP, SGP-VA, AEE wurde bereits XXXX als Tochterunternehmen der Ersten Brünner Maschinenfabrik aufgenommen.

Das Unternehmen stand aber bereits in den Dreissiger Jahren nicht unter einem guten Stern.

In den Memoiren des XXXX Hödl – Werksdirektor der Ersten Brünner Maschinenfabrik steht nachzulesen:

Simmering-Graz-Pauker AG, SGP

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Simmering-Graz-Pauker AG, SGP, 1941-89 bestehendes größtes österreichisches Industrieunternehmen auf den Gebieten Maschinen-, Kraftwerks- und Schienenfahrzeugbau, dessen Wurzeln bis 1831 zurückreichen. Der Unternehmensstandort in Wien-Simmering besteht seit 1852, nachdem die Unternehmensgründung 1831 durch Heinrich Daniel Schmid in Wien-Leopoldstadt erfolgt war; hergestellt wurden zunächst Dezimal-Brückenwaagen (erfunden von H. D. Schmid), später auch Dampfmaschinen, ganze Ausstattungen für Rübenzuckerfabriken und ab 1846 Waggons, die bald einen Produktionsschwerpunkt darstellten. 1899 wurde bereits der 40.000. Eisenbahnwaggon ausgeliefert. Durch Expansion und Firmenkäufe wurde die Produktpalette erweitert. 1934 übernahm die Simmeringer Maschinen- und Waggonbaufabrik AG die Grazer Waggon- und Maschinenfabriks-AG vormals Weitzer, die 1854 von Johann Weitzer gegründet worden war und 1870 bereits 1500 Mitarbeiter beschäftigt hatte. Dieses Unternehmen hatte zunächst verschiedenste Kraftfahrzeuge (ab 1899 Dieselmotoren nach den Patenten von R. Diesel) produziert und um die Wende zum 20. Jahrhundert auch mit der Produktion von elektrisch betriebenen Schienenfahrzeugen begonnen. Nach der Umstrukturierung des Unternehmens 1934 (dabei wurde die Fließbandarbeit eingeführt) wurden trotz Weltwirtschaftskrise 1600 Personen beschäftigt. 1941 erfolgte die Eingliederung der Paukerwerke (Kesselbau) in Wien-Floridsdorf. Im Zuge des 2. Weltkriegs wurden die Industrieanlagen an allen Standorten großteils zerstört; 1945 wurde mit dem Neuaufbau begonnen, 1946 erfolgte die Verstaatlichung. Neben Schienenfahrzeugen wurden nunmehr unter anderem Kräne, Dieselmotoren, Pressen und Kraftwerkskessel produziert und weltweit vermarktet. In den 60er und 70er Jahren gehörte SGP mit den Bereichen Maschinenbau, Kraftwerksbau und Schienenfahrzeugbau zu den erfolgreichsten Unternehmen der verstaatlichten Industrie in Österreich und war ab 1970 Teil der ÖIAG (Österreichische Industrieholding AG). 1983 erwirtschafteten rund 4500 Beschäftigte einen Umsatz von 2,9 Milliarden Schilling. Im Zuge der Umstrukturierungsmaßnahmen der verstaatlichten Industrie erfolgte 1989 die Teilung der SGP in SGP-VA Energie- und Umwelttechnik (zusammen mit einem Bereich aus der VOEST-Alpine) und SGP Verkehrstechnik GmbH (seit 1996 Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH).

Nach dem Neubeginn im Rahmen der Simmering-Graz-Pauker AG (einem Zusammenschluss österreichischer Maschinenbauunternehmen) konnte durch eine Lizenz der Gutehoffnungshütte in Oberhausen (D) der Bau von Maschinen bis 20 MW erfolgen.
Die SGP fertigte später nach eigener Konstruktion Turbinen bis 55 MW (Naga II für die Phillipinen). In der Zeit von XXXX bis XXXX wurde ca. XX Maschinen ausgeliefert.
Innehalb der SGP als gemischtes Maschinenbauunternehmen (Kesselbau, Kranbau, Getriebe- und Dieselmotoren, Schienenfahrzeuge, Dampfturbinen und Gebläse,…) waren die Entwicklungsmöglichkeiten im Engineering und in der Fertigung immer unterentwickelt. Das Leistungsspeektrum der Dampfturbine passte nicht zum Leistungsspektrum des Kesselbaues so dass nur im Bereich der Industrie komplette Lösungen aus einem Haus angeboten werden konnten.
Dies führte über Jahrzehnte hinweg zu einem ungenügenden Betriebsergebnis, ohne dass es gelang den Produktbereich einzustellen. Erst der Konkurs der AE als Tochter der Babcock Borsig Power 2002 führte zur endgültigen Schließung des Turbinenbaues.

Von den Aktivitäten im Turbomaschinenbau sind letztlich lediglich einige Zulieferbetriebe übriggeblieben. Böhler-Uddeholm als Fertiger von präzisionsgeschmiedeten Turbinenschaufeln und die Gießerei der VA-Stahl, daneben einige kleinen Lohnfertigern für Präzisionsteile.