Goldene Zeiten für hochmoderne Kraftwerke

Die großen Versorger bauen reihenweise umweltschonende Anlagen, die aus Gas, Kohle oder Müll Energie erzeugen. Denn seit kurzem belohnt die Regierung besonders effiziente Werke beim Emissionshandel.

20070115111559_Neue Kraftwerke

Neue Kraftwerke stärker als vier Jumbojets, groß wie ein Reisebus und so präzise wie ein Schweizer Uhrwerk: Die leistungsstärkste Gasturbine der Welt, zurzeit im Bau bei der Siemens-Tochterfirma Siemens Power Generation, geizt nicht mit Superlativen.

Für das 340 Megawatt starke Einzelstück mit dem kryptischen Namen SGT5-8000H errichten die Siemens-Ingenieure im bayerischen Irschingen ein eigenes Versuchskraftwerk. 2007 soll der auf dem Gas-und-Dampf-Prinzip (GuD) basierende Energieerzeuger ans Netz gehen und dann genug Strom für eine mittlere Großstadt liefern.

Das Projekt „Irschingen 4“ ist Teil eines beispiellosen Baubooms, mit dem der Kraftwerkspark der Republik bis 2020 runderneuert wird. In den vergangenen fünf Jahren investierten die Energieerzeuger bereits 5,5 Mrd. Euro, bis 2020 sollen nach aktuellen Projektplanungen weitere 27,5 Mrd. Euro verbaut werden.

53 neue Kraftwerke in der Größenklasse ab 20 Megawatt sind laut dem Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) in Bau oder in Planung. Rund die Hälfte davon wird von Energiekonzernen geplant, die bisher nicht oder nur in geringem Maß im deutschen Markt aktiv sind. „Das zeigt, dass der Wettbewerb in Deutschland an Fahrt gewinnt“, kommentiert VDEW-Geschäftsführer Eberhard Meller.

Mit dem „Nationalen Allokationsplan 2“ (NAP II) schuf die Bundesregierung Ende Juni 2006 zudem einen starken Anreiz zur Investition in neue thermische Kraftwerke.

Sie legte fest, wie viel Kohlendioxid die Industrie in den Jahren 2008 bis 2012 in die Atmosphäre blasen darf – 482 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr -, und kürzte die Zuteilung von Emissionszertifikaten an alte und besonders ineffiziente Braun- und Steinkohlekraftwerke ab 2008 um 15 Prozent. Neue Anlagen werden dagegen besonders begünstigt.

Dieser Anreiz zieht, sagt Immo von Fallois, Leiter Unternehmenskommunikation beim Kraftwerksbauer Alstom: „Die CO2-Emissionen sind ein entscheidendes Argument in aktuellen Verkaufsverhandlungen.“

Alstom baut zurzeit am Kraftwerksstandort Grevenbroich-Neurath in Nordrhein-Westfalen das größte Braunkohlekraftwerk der Welt. In Auftrag gegeben wurde das 2200 Megawatt starke und 2,2 Mrd. Euro teure Mammutprojekt vom Energiekonzern RWE, der damit mittelfristig klar auf Braunkohle als Energieträger setzt.

15 Prozent des deutschen Stroms werden aktuell im rheinischen Braunkohlerevier erzeugt. „Die Atomkraft wird zurückgefahren, auf Gas allein kann man sich nicht verlassen – damit ist Kohle im Energiemix zurzeit die angesagteste Alternative“, sagt von Fallois.

Doppelter Antrieb Damit Kohlekraftwerke allerdings die strengen Emissionsvorgaben erfüllen können, muss Kraftwerksbauer Alstom erheblichen Aufwand treiben: „Unser Ziel ist, bis 2020 das kohlendioxidfreie Kraftwerk zu entwickeln.“

Die beiden neuen Kraftwerksblöcke in Neurath werden, wenn sie 2010 ans Netz gehen, etwa 30 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als bisherige Anlagen gleicher Leistung. Durch zahlreiche Detailverbesserungen bei der Dampferzeugung steigt der Wirkungsgrad der eingesetzten thermischen Energie auf 43 Prozent.

Den Wirkungsgrad der neuen Braunkohlekraftwerke übertreffen GuD-Kraftwerke wie das in Irschingen geplante allerdings bei Weitem. Sie setzen über 60 Prozent der eingesetzten Gasenergie in Strom um. Das Prinzip ist so genial wie einfach: Die Gasturbine allein erreicht nur Wirkungsgrade von gut 40 Prozent.

Anstatt aber die etwa 650 Grad heißen Turbinenabgase durch den Kamin zu blasen, werden sie genutzt, um Dampf für den Betrieb einer kleineren Dampfturbine zu erhitzen. Wird der danach noch immer 140 Grad heiße Dampf für Industrieprozesse – etwa in einer Chemiefabrik – verbraucht, dann können sogar bis zu 90 Prozent der Energie umgesetzt werden.

„GuD-Kraftwerke sind die emissionsärmsten thermischen Kraftwerke“, sagt Alfons Benzinger von Siemens Power Generation. „Und die neue Gasturbine ist dank optimierter Triebwerksschaufeln und neu entwickelter hochtemperaturfester Materialien die effizienteste ihrer Art.“ 500 Mio. Euro investiert Siemens in die Entwicklung des Kraftwerkstyps Irschingen 4, ein noch leistungsstärkerer Block Irschingen 5 ist bereits in Planung.

Benedikt Fuest